Warum Anschreiben heutzutage einfach nicht mehr im Trend sind
Kurzarbeit, Stellenabbau, Arbeitslosigkeit – dank Pandemie kommt wohl ein wenig Dynamik auf unseren doch sonst eher angespannten deutschen Arbeitsmarkt. Für die Unternehmen, die wenig Auswirkungen aufgrund von Covid-19 auszuhalten hatten, eine sehr gute Chance neue Mitarbeiter für die Nach-Corona-Zeit anzuwerben. Doch wie gestaltet man den Prozess nun? Und was hat eigentlich das Anschreiben oder Motivationsschreiben damit zu tun?
Das große Feld der sog. Candidate Experience gibt uns als Arbeitgeber auf, den Recruiting-Prozess so angenehm wie möglich zu gestalten. Auch, um zukünftige Mitarbeiter zu beeindrucken und nachhaltig ans Unternehmen zu binden. Also macht man sich so seine Gedanken zu einem effektiven Prozess und versucht möglichst viele potentielle und vor allem auch geeignete Kandidaten anzusprechen. Dennoch bleiben zwei Gruppen von Unternehmen, auch oder wegen Corona, weiter zu unterscheiden: die, die dank erfolgreicher Employer Branding Strategien viele bis sehr viele Bewerbungen bekommen und die Unternehmen, die wenig bis zu wenig Bewerbungen erhalten.
Zwei Klassen im Bereich Bewerbungseingang
So muss also Gruppe eins der Arbeitgeber eher nach Qualität filtern in den Unmengen ihrer Bewerbungen, Gruppe zwei strebt wohl eher nach Erhöhung der Quantität. Doch was hat denn nun das Anschreiben damit zu tun?
Anschreiben sind Zeitfresser für Bewerber. Und mal ehrlich – was schreibt man denn da rein? Die Wahrheit? Wohl kaum. Das was der Personaler hören will? – Schon eher. Und ich als Personaler bin nach dem zweiten Standard-aus-dem-Internet-rauskopierten-Anschreiben dann auch schon gelangweilt.
Generationswechsel bewirkt ein Umdenken bei Anschreiben
Vor 10 oder 15 Jahren hieß es noch, dass gerade das Anschreiben und das Deckblatt einer Bewerbung hervorstechen müssen – um sich eben von anderen Bewerbern abzuheben. Heute ist eine einwandfreie Bewerbung nicht nur Standard, sondern der Arbeitsmarkt ist zum Arbeitnehmermarkt geworden: die Arbeitnehmer und Kandidaten bestimmen den Markt und die Arbeitgeber führen einen Bewerbungs- und Paarungstanz auf, um möglichst den „Perfect-Fit“ zu finden.
Generation Z googelt schnell mal Anschreiben, fügt das vorn ein und schickt den aussagelosen Text einfach mit. Was wissen wir nun über den Bewerber? Genauso viel, wie ohne Anschreiben. Nicht nur deshalb haben bereits viele Groß-Unternehmen und global Player das Motivationsschreiben nicht mehr als Pflicht deklariert, sondern teilweise sogar gänzlich aus dem Recruiting-Prozess verbannt. Und das nicht ohne Grund.
Einstiegshürden verringern
High Potentials werden Sie nicht aufgrund von schön ausformulierten Anschreiben herausfiltern. Und viele dieser Zielgruppe machen sich gar nicht mehr den Aufwand eine ganze Seite voller Phrasen zu füllen, nur um eventuell eine neue Position bekleiden zu können. Deshalb sage ich: weg mit den Anschreiben. Verringern Sie Einstiegshürden, beschleunigen Sie Ihren Rekrutierungsprozess und finden Sie gegebenenfalls neue Anreize zur Kandidatenansprache und Auswahlprozesse.
Apropos Auswahlprozesse – das Anschreiben unterliegt hier auch keinem objektiven Bewertungsansatz. Heißt: valide Rückschlüsse über alle Bewerber betrachtet und somit absolute Vergleichbarkeit werden wir kaum erzielen. Warum dann also so ein Aufwand?
Anschreiben adé
Doch was kann man machen, um vielleicht doch eine Vorauswahl zu treffen am Anfang des Recruitingprozesses? Nun, Kreativität ist auch hier keine Grenze gesetzt, innovative Lösungen scheinbar vielfältiger denn je:
Arbeitsproben und Portfolios erfreuen sich immer mehr Beliebtheit. Auch eine kleine Knobel-Aufgabe in der Stellenausschreibung, die in kurzem Umfang gelöst werden soll, kann nicht nur Spreu vom Weizen trennen, sondern auch Sie und Ihr Unternehmen für Knobler, Querdenker und Künstler des Fachs attraktiv erscheinen lassen.
Auch kurze Fragebögen sind möglich und erhöhen die Vergleichbarkeit der Bewerber untereinander. Und natürlich wollen wir auch die digitale Seite nicht außen vorlassen: kurze Videos drehen lassen, Bilder hochladen von Arbeitsproben oder auch aus dem privaten Bereich lassen Bewerber in einem anderen Licht erscheinen, welches sie selbst bestimmen können.
In diesem Sinne: Mach’s gut, Anschreiben! ?